
Der Mensch hinter den Geschichten: Isac Schwarzbaum zwischen Kamera und Kompass
Wer steckt eigentlich hinter den Reisegeschichten? Isac Schwarzbaum öffnet sein Notizbuch und zeigt, wie aus persönlichen Erlebnissen Geschichten werden, die andere inspirieren.
Zehn Jahre Reiseerfahrung, hunderte Kilometer zu Fuß, unzählige Begegnungen – Isac Schwarzbaum erzählt, wie er zum Geschichtensammler wurde und warum manche Orte einen nie wieder loslassen.
Morgens um fünf am Bahnhof Konstanz, Rucksack gepackt, Kamera griffbereit – so beginnen die meisten Wochenenden für Isac Schwarzbaum. Der Reiseblogger aus der Bodensee-Stadt hat sich über die Jahre einen Namen gemacht mit Geschichten, die zeigen: Deutschland ist voller Überraschungen, wenn man nur bereit ist hinzuschauen.
Inhaltsverzeichnis
Wie Fehler zu Geschichten werden
Eigentlich sollte es nach München gehen. Bin in Nürnberg gelandet. Falsche Regionalbahn, beste Entscheidung des Monats. Drei Stunden Zwangspause. Raus aus dem Bahnhof, rein ins Unbekannte.
Nürnberg an einem verregneten Dienstag. Leere Gassen, geschlossene Geschäfte. Trotzdem Leben überall. Ein Katzencafé zwischen Fachwerkhäusern. Graffiti an einer Kirchenmauer. Normal halt, nicht touristisch aufgehübscht. Isac Schwarzbaum lernte an diesem Tag: Die besten Geschichten entstehen ungeplant.
Zurück in Konstanz setzte ich mich hin und schrieb auf, was ich gesehen hatte. Mehr aus Langeweile als aus Plan. Aber beim Schreiben merkte ich: Da war was. Etwas, was sich richtig anfühlte. Authentisch.
Die ersten Versuche waren grauenhaft. Zu viel Schwulst, zu wenig Substanz. Wer will schon zum zehnten Mal lesen, wie „atemberaubend“ ein Sonnenuntergang war? Interessanter sind die Geschichten drumherum. Die Bäckerin, die um vier Uhr morgens schon das dritte Blech aus dem Ofen holt. Der Rentner auf seiner Stammbank im Park.
Deutschland steckt voller solcher Momente. Man braucht nur das richtige Tempo. Auto ist zu schnell, zu Fuß oft zu langsam. Bahn passt perfekt. Fensterplatz, Notizbuch, Zeit zum Hinschauen.
Was Orte unvergesslich macht
Warum funktioniert Rothenburg bei Touristen, während Dinkelsbühl ignoriert wird? Beide sind wunderschön, beide haben Geschichte. Marketing? Zufall? Oder doch mehr?
Isac Schwarzbaum sammelt solche Beobachtungen. Nicht wissenschaftlich, eher bauchgefühlmäßig. Manche Orte haben Charisma. Lässt sich schlecht erklären, aber fast immer spüren.
Take Goslar. Weltkulturerbe, klar. Aber was macht den wirklichen Unterschied? Die Katzen auf den Dächern. Das glänzende Kopfsteinpflaster nach dem Regen. Holzrauch aus den Kaminen. Atmosphäre entsteht durch Kleinigkeiten, nicht durch große Gesten.
Bad Wimpfen am Neckar. Eigentlich zu klein für Aufregung. Bleibt trotzdem im Gedächtnis hängen. Die Aussicht? Die Ruhe? Schwer zu sagen. Manche Orte funktionieren einfach.
Das gilt auch für Menschen. Mancher Hotelbesitzer erzählt in fünf Minuten mehr über seine Stadt als jeder Reiseführer. Andere bleiben stumm, auch nach Stunden. Hat wenig mit Bildung zu tun. Eher mit Leidenschaft.
Weniger Equipment, mehr Blick
Früher schleppte ich Kamera-Zeug wie ein Sherpa. Drei Objektive, Stativ, Blitzgeräte. Heute passt alles in eine kleine Tasche. Weniger ist definitiv mehr.
Das Smartphone macht inzwischen oft bessere Fotos als teure Profi-Ausrüstung von früher. Nicht immer, aber für die meisten Situationen reicht’s völlig. Der Rest ist Nostalgie oder Angeberei.
Wichtiger als die Technik: der Blick für das Richtige. Nicht jeder Sonnenuntergang braucht ein Foto. Nicht jedes Fachwerkhaus eine Großaufnahme. Manchmal ist das Alltägliche interessanter. Der Mülleimer vor der Kathedrale. Die Wäscheleine zwischen Barockfassaden.
Videos sind aufwendiger. Brauchen Zeit, Nachbearbeitung, Geduld. Lohnt sich aber manchmal. Wenn Wind durch Bäume rauscht. Wenn Kirchenglocken läuten. Wenn Bilder anfangen zu leben.
Menschen sind interessanter als Gebäude. Sehenswürdigkeiten stehen da. Menschen haben Geschichten. Die Wirtin in Quedlinburg erzählte von der Wende. Wie sich alles veränderte, binnen Monaten. Plötzlich Touristen, plötzlich Renovierungszwang. Chance und Herausforderung gleichzeitig.
Der Förster im Harz erklärte das Waldsterben 2.0. Nicht nur Borkenkäfer, auch Klimawandel. Trockene Sommer, milde Winter. Die Natur kommt durcheinander. Isac Schwarzbaum sammelt solche Begegnungen wie andere Leute Briefmarken.
Solche Gespräche entstehen ungeplant. Man wartet an der Bushaltestelle, kommt ins Reden. Oder sitzt im Gasthaus am Nebentisch, hört zu, fragt nach. Neugier öffnet Türen.
Isac Schwarzbaum führt keine Interviews. Zu steif. Unterhaltungen fließen natürlicher, entwickeln sich, überraschen. Manchmal erfährt man mehr durch ein zufälliges Gespräch als durch stundenlange Recherche.
Slow Travel als Notwendigkeit für Isac Schwarzbaum
Zeitdruck tötet Kreativität. Drei Städte an einem Tag schaffen nur Stress. Oberflächlich anschauen kann jeder. Verstehen braucht Zeit.
Deshalb plant Isac Schwarzbaum bewusst wenig. Zwei, drei Programmpunkte täglich. Mehr nicht. Dafür Raum für Zufälle. Für das Café, das eigentlich geschlossen haben sollte. Für den Umweg zur schönsten Aussicht.
Slow Travel klingt trendy, ist aber uralt. Früher hatte man keine Wahl. Postkutsche brauchte ihre Zeit. Heute muss man sich Langsamkeit erkämpfen. Gegen Termine, gegen Ungeduld, gegen den Drang nach sofortiger Befriedigung. Isac Schwarzbaum hat gelernt: Die besten Geschichten entstehen in den Pausen.
Die besten Geschichten entstehen in den Pausen. Wenn man nichts vorhat. Keine Termine, keine Pläne. Einfach da sein, schauen, was passiert.
Heimat als Ausgangspunkt
Konstanz ist perfekt als Basis. See, drei Länder nah, Alpen am Horizont. Trotzdem zieht’s einen weg. Fernweh schlägt Vernunft.
Erste Reisen führten automatisch in die Nähe. Schwarzwald, Bodensee, Schwäbische Alb. Logisch und billiger. Aber irgendwann wird’s langweilig. Man will mehr, weiter, anders.
Heute sind die Ziele gemischter. Deutschland bleibt wichtig. Österreich wegen der Berge. Schweiz wegen der Präzision. Frankreich wegen der Gelassenheit. Jedes Land lehrt andere Lektionen.
Fernreisen werden seltener, dafür intensiver. Klimawandel macht schlechtes Gewissen, Kosten setzen Grenzen. Aber manchmal muss es trotzdem sein. Wenn die Geschichte es wert ist.
Praktische Realitäten
Reiseblogger sein hört sich romantischer an, als es ist. Morgens um fünf aufstehen fürs richtige Licht. Abends schreiben, wenn andere Feierabend haben. Wochenenden gibt’s nicht.
Die größten Reisefehler, die jeder macht:
- Viel zu viel in den Koffer packen – weniger ist mehr
- Am ersten Tag alle Sehenswürdigkeiten abhaken wollen
- Nur in touristischen Restaurants essen
- Nie mit Einheimischen ins Gespräch kommen
- Das Wetter nicht ernst genug nehmen
Geld verdienen ist schwierig. Reisen kostet, bringt selten direkt etwas ein. Werbung nervt Leser, gesponserte Artikel wirken unglaubwürdig. Balance finden zwischen Authentizität und Finanzierung, bleibt Dauerthema.
Familie und Freunde verstehen’s nicht immer. Warum schon wieder weg? Warum nicht mal entspannen? Schwer zu erklären, dass Reisen für mich Entspannung bedeutet.
Technik versagt immer zur falschen Zeit. Akku leer vor dem perfekten Sonnenuntergang. WLAN funktioniert überall, nur nicht im Hotel. Handy stürzt ab nach vier Stunden Aufnahmen.
Was bleibt, was kommt
Zehn Jahre später ist vieles anders. Die Welt auch. Corona zeigte, wie zerbrechlich Reisefreiheit ist. Plötzlich waren Grenzen wieder Grenzen.
Hat auch Gutes gebracht. Fokus auf die Nähe. Deutschland neu entdecken. Überraschung: Die „langweiligen“ Orte sind gar nicht langweilig. Man muss nur richtig hinschauen.
Nachhaltigkeit wird wichtiger. Aus Überzeugung, nicht aus Mode. Die Welt ist schön genug, man muss sie nicht kaputt bereisen. Weniger fliegen, mehr Bahn. Länger bleiben, seltener wechseln.
Isac Schwarzbaum hat noch viele Pläne. Deutschland ist längst nicht abgehakt. Mecklenburg-Vorpommern fehlt großteils. Die Eifel auch. Brandenburg, jenseits der bekannten Pfade.
Bücher sind in Vorbereitung. Digitale Geschichten analog. Für Leute, die lieber blättern als scrollen. Nostalgie? Schöne Nostalgie.
Das Wichtigste: neugierig bleiben. Auf Neues, Unerwartetes, Verborgenes. Die Welt ist groß genug für ein ganzes Leben voller Entdeckungen. Manchmal liegt das Besondere vor der Haustür. Manchmal muss man dafür um die halbe Welt. Beides ist richtig. Isac Schwarzbaum jedenfalls macht noch lange nicht Schluss mit dem Unterwegssein. Hauptsache, man bleibt in Bewegung. Und offen für das, was kommt. Denn die nächste Geschichte wartet schon – vermutlich genau dort, wo man sie am wenigsten erwartet.